Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen zum 01. August 2022 hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die in der Praxis für erhebliche Unsicherheit sorgt. Gemeint ist die Änderung des § 15 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).
Dort heißt es wörtlich:
„Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.“
Klar ist damit lediglich: Eine pauschale sechsmonatige Probezeit lässt sich bei befristeten Arbeitsverhältnissen künftig nicht mehr ohne Weiteres vereinbaren. Doch was stattdessen „verhältnismäßig“ ist, bleibt offen – und genau das hat zu intensiven Diskussionen in Praxis und Rechtsprechung geführt.
Unsichere Verhältnismäßigkeit – 1/2, 1/3 oder 1/4?
Seit Inkrafttreten der Regelung wird lebhaft darüber gestritten, wie lang eine Probezeit im Verhältnis zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses sein darf. Soll sie die Hälfte, ein Drittel oder nur ein Viertel der Vertragslaufzeit betragen?
Eine erste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) brachte nun zumindest einen Anhaltspunkt – wenn auch keine abschließende Klarheit.
Der 2. Senat des BAG entschied:
Es gibt keinen festen Regelwert für die Dauer einer Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Maßgeblich ist eine Einzelfallabwägung.
Im konkreten Fall hielt das Gericht eine viermonatige Probezeit bei einem auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnis für angemessen – vor allem, weil der Arbeitgeber einen detaillierten Einarbeitungsplan mit drei Phasen über insgesamt 16 Wochen vorgelegt hatte.
Was bedeutet das für die Praxis?
Die Entscheidung des BAG schafft einerseits Flexibilität, andererseits neue Unsicherheiten. Für die Praxis lassen sich zwei Handlungsansätze ableiten:
Einarbeitungsplan als Argumentationshilfe
Unternehmen, die befristete Arbeitsverträge schließen, sollten künftig dokumentieren, wie lange die Einarbeitung tatsächlich dauert. Ein strukturierter Einarbeitungsplan kann im Streitfall belegen, dass die Probezeit verhältnismäßig bemessen wurde.
Fixe Regelwerte mit Risiko
Wer sich die Dokumentation ersparen möchte, kann auf interne Regelwerte (z. B. 3 oder 4 Monate) zurückgreifen. Das birgt jedoch das Risiko, dass ein Gericht im Einzelfall die Probezeit als unverhältnismäßig einstuft.
Tipp: Kündigungen in der Probezeit sollten deshalb vorsorglich immer „hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ ausgesprochen werden.
Positiv ist immerhin: Selbst wenn eine Probezeit als zu lang angesehen wird, verkürzt das laut BAG nicht die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG.
Das heißt: Der allgemeine Kündigungsschutz greift weiterhin erst nach sechs Monaten.
Entschärfung ab 2026 für Zeitarbeitsunternehmen
Für die Zeitarbeitsbranche bringt der neue Manteltarifvertrag GVP/DGB ab dem 01. Januar 2026 eine spürbare Entlastung: Dort ist keine Probezeit mehr vorgesehen.
Trotzdem können die tariflich verkürzten Kündigungsfristen weiterhin genutzt werden. Im Gegensatz dazu waren in den Tarifwerken von BAP/DGB und iGZ/DGB die verkürzten Fristen bislang an eine Probezeit gekoppelt – ohne Probezeit keine verkürzte Kündigungsfrist. Diese Verknüpfung entfällt künftig, was als klarer Verhandlungserfolg für den GVP zu werten ist.
Wichtige Hinweise für die Praxis
Der Verzicht auf eine Probezeit bedeutet keine Einschränkung bei Kündigungen innerhalb der ersten sechs Monate. Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG läuft auch ohne Probezeit – eine soziale Rechtfertigung ist weiterhin nicht erforderlich.
Bei internen Mitarbeitenden gilt § 15 Abs. 3 TzBfG jedoch weiterhin. Hier müssen Personaldienstleister also weiterhin genau abwägen, wie lange eine Probezeit dauern darf – und dies im Zweifel dokumentieren.
Planung und Dokumentation – wichtiger denn je
Die neue gesetzliche Regelung zur Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen ist ein klassisches Beispiel für gut gemeinte, aber schlecht formulierte Gesetzgebung. Anstatt Rechtssicherheit zu schaffen, zwingt sie Unternehmen zu mehr Dokumentation, Argumentation und Einzelfallbetrachtung.
Für Zeitarbeitsunternehmen bringt der MTV GVP/DGB ab 2026 zumindest teilweise Rechtssicherheit und Entlastung.
Bis dahin gilt: Sorgfältige Planung und Dokumentation bleiben die beste Absicherung – damit das Thema Probezeit nicht zur rechtlichen Lotterie wird.
Wenn Sie ergänzende Fragen haben sollten, melden Sie sich jederzeit gerne bei Dr. Alexander Bissels.

